Rechtsanwalt-Angestellte VLB / Rahmen
Kollektivvertrag
für Angestellte von Rechtsanwaltskanzleien in Vorarlberg
Redaktionelle Anmerkungen
Quelle: Gewerkschaft GPA
abgeschlossen zwischen der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg, 6800 Feldkirch, Marktplatz 11 und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft GPA Wirtschaftsbereich Wirtschaftsdienstleistungen, sonstiges Gewerbe, 1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1.
§ 1 Geltungsbereich
1.
Räumlich:
Vorarlberg
2.
Fachlich:
Für sämtliche Mitglieder der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg
3.
Persönlich:
Für alle in den Kanzleien der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen im Angestelltenverhältnis Beschäftigten und kaufmännischen Lehrlinge im Lehrberuf einer(s) Rechtsanwaltskanzleiassistentln(en) mit Ausnahme der Volontärlnnen, RechtsanwaltsanwärterInnen und angestellten Rechtsanwältlnnen.
§ 2 Geltungsbeginn/Geltungsdauer
1.
Dieser Kollektivvertrag tritt mit 1.3.2022 in Kraft. Die nächste Erhöhung des Mindestgehaltsschemas soll nicht vor dem 1.1.2024 erfolgen. Beide Seiten streben rechtzeitige Gespräche im Jahr 2023 diesbezüglich an.
2.
Jeder Vertragsteil hat das Recht, den Kollektivvertrag jeweils mit mindestens dreimonatiger Kündigungsfrist zum Quartalsende mittels eingeschriebenen Briefes zu kündigen.
3.
Während der Kündigungsfrist sollen Verhandlungen wegen der Erneuerung des Kollektivvertrages geführt werden.
§ 3 Arbeitszeit
1.
Die Arbeitszeit beträgt einschließlich der Zeit für die Postabfertigung 40 Stunden wöchentlich.
2.
Die Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen sind unter Berücksichtigung der jeweiligen Kanzleierfordernisse nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen festzulegen.
Die Lage der regelmäßigen Normalarbeitszeit kann so festgelegt werden, dass an einem Werktag weniger als 8 Stunden oder überhaupt nicht gearbeitet und die entfallende Arbeitszeit auf die anderen Tage der Woche verteilt wird, jedoch darf die tägliche Normalarbeitszeit 9 Stunden nicht überschreiten.
3.
Am 24.12. ist arbeitsfrei. An Samstagen und am 31. Dezember hat die Arbeitszeit um 12.00 Uhr zu enden. Wird am 31. Dezember Urlaub oder Zeitausgleich konsumiert, ist nur ein halber Urlaubs- oder Arbeitstag in Anrechnung zu bringen.
§ 4 Durchrechenbare Arbeitszeiten
1.
Die Normalarbeitszeit kann innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von einem Jahr unregelmäßig so verteilt werden, dass sie im Durchschnitt des Durchrechnungszeitraumes 40 Stunden pro Woche nicht überschreitet.
2.
Die Normalarbeitszeit darf bis zu 9 Stunden täglich betragen und pro Woche 45 Stunden nicht überschreiten und 32 Stunden nicht unterschreiten. Wurde gemäß § 3 (2) dieses Kollektivvertrags die Lage der regelmäßigen Normalarbeitszeit so verteilt, dass sie an einzelnen Tagen 9 Stunden beträgt, darf für diese Tage die tägliche Normalarbeitszeit im Rahmen der durchrechenbaren Arbeitszeiten bis zu 10 Stunden betragen.
3.
Der Verbrauch von erworbenen oder künftigen Zeitguthaben ist tunlich in ganzen Tagen, insbesondere in Zusammenhang mit Feiertagen oder Urlauben, zu vereinbaren. Ein Unterschreiten der 32 Stunden pro Woche ist möglich, wenn der Zeitausgleich in Form von ganzen Tagen vereinbart wird.
4.
Die Anwendung von durchrechenbaren Arbeitszeiten nach dieser Bestimmung ist
-
•
im Arbeitsvertrag ausdrücklich zu vereinbaren oder im Dienstzettel bei Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrags im Fall der mündlichen Vereinbarung ausdrücklich anzuführen;
-
•
nur zulässig, wenn die Mindestgehälter in diesem Kollektivvertrag in den letzten drei Jahren angehoben wurden;
-
•
nur für Angestellte zulässig, deren tatsächliches monatliches Grundgehalt mindestens 15 % über dem kollektivvertraglichen Gehalt der jeweiligen Einstufung nach dem geltenden Gehaltsschema gemäß § 10 dieses KV liegt.
5.
Der Durchrechnungszeitraum entspricht dem Kalenderjahr. Eine von der im Arbeitsvertrag festgelegten Lage abweichende Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ist jeweils einvernehmlich zu vereinbaren.
6.
Erkrankt ein Angestellter während eines Zeitraums, für den eine abweichende Arbeitszeit gemäß dieser Kollektivvertragsbestimmung vereinbart wurde, so ist als fiktiv erbrachte Arbeitszeit die vertraglich vereinbarte Normalarbeitszeit heranzuziehen. Zeitguthaben oder Zeitschuld können daher während des Krankenstandes nicht anwachsen oder sich reduzieren.
7.
Ein sich nach dem Durchrechnungszeitraum oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses ergebender Stundenüberhang ist mit einem Zuschlag von 50 % zur Auszahlung zu bringen. Eine Zeitschuld verfällt und darf nur im Fall eines unberechtigten vorzeitigen Austritts oder einer berechtigten Entlassung mit anderen Ansprüchen aufgerechnet werden.
§ 5 Sonn- und Feiertagsruhe
Die Sonntagsruhe regelt sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. An Feiertagen, das sind die durch das Gesetz hierzu erklärten Tage, hat die Arbeit in den Kanzleien der Rechtsanwälte zu ruhen.
§ 6 Überstunden
1.
Alles, was über die normale Arbeitszeit (§§ 3 und 4) hinausgeht, ist separat als Überstunde zu entlohnen, sofern nicht Zeitausgleich gewährt wurde.
Überstunden können in Form von Zeitausgleich abgebaut werden, wenn dies im Einvernehmen vereinbart wurde. Zeitausgleich ist mit denselben Zuschlägen zu gewähren, wie sie bei finanzieller Abgeltung gebühren.
2.
An Werktagen sind Überstunden nach Beendigung der vereinbarten Normalarbeitszeit mit einem Zuschlag von 50 % zu vergüten. Jede Überstunde an Sonn- und Feiertagen sowie die 11. und 12. tägliche bzw ab der 51. wöchentlichen Arbeitsstunde ist mit einem Zuschlag von 100 % zu vergüten. Kommen durchrechenbare Arbeitszeiten gemäß § 4 (2) iVm § 3 (2) zur Anwendung ist an Tagen mit einer Normalarbeitszeit von 10 Stunden erst die 12. Arbeitsstunde mit einem Zuschlag von 100 % zu vergüten. Als Grundlage für die Überstundenberechnung gilt 1/150 (ein Hundertfünfzigstel) des Monatsgehaltes.
3.
Der Verfall von Überstunden ist in § 11 dieses Kollektivvertrags geregelt.
4.
Durch Vereinbarung zwischen einzelnen Rechtsanwaltskanzleien und ihren Angestellten kann eine Überstundenpauschale festgesetzt werden, doch darf sie im Durchschnitt die Angestellten nicht ungünstiger stellen als die Überstundenentlohnung.
5.
Zur Leistung von Überstunden sind die Angestellten nur im Bedarfsfalle und in der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer verpflichtet.
6.
Soweit die Entlohnung überkollektivvertraglich erfolgt, gilt bei einer Arbeitszeitüberschreitung der täglichen Arbeitszeit von bis zu maximal 15 Minuten diese als pauschal abgegolten (zB für Postgehzeiten), bei Teilzeitbeschäftigten werden die 15 Minuten der vereinbarten Arbeitszeit entsprechend aliquotiert (zB 20 Wochenstunden = 7,5 Minuten etc).
§ 7 Urlaub
1.
Hinsichtlich der Urlaubsbestimmungen gilt das Angestelltengesetz bzw das Bundesgesetz vom 7. Juli 1976 betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung in der jeweils gültigen Fassung.
2.
Während des Urlaubes dürfen die Angestellten keine dem Erholungszweck des Urlaubes widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.
3.
Bei Wirksamkeitsbeginn dieses Kollektivvertrages bestehende, für die Angestellten günstigere Regelungen über den Urlaub werden durch diesen Kollektivvertrag nicht berührt.
§ 8 Freizeit bei nachgewiesener Dienstverhinderung
Bei angezeigtem oder nachgewiesenem Eintritt nachstehender Familienangelegenheiten ist jeder/jedem Angestellten eine Freizeit ohne Schmälerung seines monatlichen Entgeltes wie folgt zu gewähren:
• |
Bei Eheschließung der Angestellten oder bei Tod des Ehepartners (Lebensgefährten) |
3 Werktage |
• |
Im Todesfall von Eltern oder von im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern |
2 Werktage |
• |
Bei Teilnahme an der Eheschließung von Geschwistern oder eines Kindes |
1 Werktag |
• |
Bei Niederkunft der Ehegattin bzw der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin |
2 Werktage |
• |
Im Todesfall von großjährigen Kindern, Geschwistern, Schwiegereltern, Zieh- oder Stiefeltern oder Großeltern |
1 Werktag |
• |
Zuzüglich der notwendigen Hin- und Rückfahrten zum Orte des Begräbnisses im Ausmaß |
eines weiteren Werktages |
• |
Bei Wohnungswechsel im Falle der Führung eines eigenen Haushaltes |
Notwendige Zeit/maximal 2 Werktage |
Der Eheschließung sind seit 1. Februar 2011 eingetragene Partnerschaften nach dem Eingetragenen Partnerschaften-Gesetz (EPG) gleichgestellt.
§ 9 Kündigung
Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, unterliegt dessen Lösung den Bestimmungen des § 20 AngG. Bei Kündigung durch den Arbeitgeber wird bezüglich des Kündigungstermins gemäß § 20 Abs 3 AngG vereinbart, dass für Dienstverhältnisse, die nach dem 1.3.2022 begründet wurden, der Letzte eines Kalendermonates als Kündigungstermin gilt.
§ 10 Entgelt
Mindestsätze ab 1.3.2022
Berufsgruppe I
Hierzu gehören Angestellte aller Art, die in einem Dienstverhältnis zu einem Rechtsanwalt stehen und nicht Tätigkeiten verrichten, welche in der Berufsgruppe 2 abgebildet sind.
Berufsgruppe II
Hierzu gehören Angestellte, die neben sonstigen Tätigkeiten höchste Kanzleiarbeiten selbständig verrichten (zB eigenständige Betreuung des Betreibungswesens, Führung von Buchhaltung und/oder Fremdgeldverwaltung in erheblichem Ausmaß, Vor- und Aufbereitung von komplexen Grundbuchseingaben bzw komplexen Selbstberechnungserklärungen für das Finanzamt), Kanzleileiterlnnen, juristische Angestellte (das sind Angestellte, die ein Studium an einer juristischen Fakultät erfolgreich abgeschlossen haben und nicht in eine Liste der Rechtsanwältlnnen oder Rechtsanwaltsanwärterlnnen eingetragen sind).
Die Gehälter jener Angestellten, die überkollektivvertraglich entlohnt werden, sind im Ausmaß der Steigung der Mindestgehälter nach diesem Kollektivvertrag unter Aufrechterhaltung der Überzahlung zu erhöhen.
Berufsjahr |
BG I |
BG II |
1. |
1.698,00 |
1.842,00 |
3. |
1.801,00 |
1.945,00 |
5. |
1.904,00 |
2.048,00 |
7. |
2.007,00 |
2.151,00 |
9. |
2.110,00 |
2.254,00 |
11. |
2.213,00 |
2.357,00 |
13. |
2.316,00 |
2.460,00 |
15. |
2.408,00 |
2.552,00 |
17. |
2.491,00 |
2.635,00 |
19. |
2.573,00 |
2.717,00 |
Lehrlingsentschädigung:
Lehrjahr |
|
1. |
750,00 |
2. |
895,00 |
3. |
1.080,00 |
§ 11 Verfall von Ansprüchen
1.
Ansprüche auf Überstundenentlohnung sind bei sonstigem Verfall spätestens 6 Monate nach Fälligkeit dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich geltend zu machen. Als Geltendmachung gilt jedenfalls die Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen durch die Angestellte oder Arbeitszeitaufzeichnungen des Arbeitgebers, die die begehrten Überstunden jeweils beinhalten.
2.
Alle anderen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis sind bei sonstigem Verfall spätestens ein Jahr nach Fälligkeit dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich geltend zu machen.
§ 12 Reisekosten, Verpflegungs-, Nächtigungs- und Weggelder, Zukunftssicherung und Mahlzeiten
Haben Angestellte Tätigkeiten außerhalb des Ortes, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwaltes befindet, weisungsgemäß zu verrichten, gebührt ihnen der Ersatz der Fahrtspesen, der Verpflegungskosten sowie der Nächtigungs- und Weggelder nach den Vorschriften des Rechtsanwaltstarifgesetzes BGBl 189/1969 idgF (Tarifpost 9).
Dem Rechtsanwalt steht es frei, seinen Mitarbeiterinnen zusätzlich zu den kollektivvertraglichen Mindestgehältern eine steuerfreie Zukunftssicherung gemäß § 3 Z 15 lit a) EStG und/oder freie bzw verbilligte Mahlzeiten (zB Essensbons) gemäß § 3 Z 17 EStG idgF zu gewähren.
§ 13 Vordienstzeiten
1.
Vordienstzeiten, die in einem Angestellten- oder Lehrverhältnis in einer Rechtsanwaltskanzlei oder als Rechtsanwaltsanwärter erbracht wurden und eine zusammenhängende Dienstzeit von mehr als 6 Monaten in einer Kanzlei ergeben, werden ausschließlich bei Berechnung des Entgeltes bis zu einem Höchstmaß von 10 Jahren angerechnet.
2.
Vordienstzeiten, die in einem Angestellten- oder Lehrverhältnis bei einer Notariatskanzlei oder als Notariats Anwärter erbracht wurden und die eine zusammenhängende Dienstzeit von mehr als 6 Monaten ergeben, werden bis zu einem Höchstmaß von 5 Jahren angerechnet.
3.
Diese Anrechnung erfolgt ausschließlich für die Berechnung des Mindestentgelts und nicht für allfällige Ansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten.
§ 14 Urlaubs- und Weihnachtsremuneration (13. und 14. Gehalt)
1.
Am 30. November eines jeden Jahres gebührt den Angestellten eine Weihnachtsremuneration und am 30. Juni eines jeden Jahres eine Urlaubsremuneration in der Höhe eines vollen Monatsgehaltes.
Berechnungsgrundlage für die Weihnachtsremuneration ist die Höhe des Novembergehalts und für die Urlaubsremuneration der Junigehalt. Bei unterschiedlichen Bezügen während eines Jahres (zB bei einem Wechsel von Teilzeit in Vollzeit oder Vollzeit in Teilzeit oder bei einer Gehaltserhöhung) gebühren Urlaubsremuneration und Weihnachtsremuneration in dem Ausmaß, das einem Zwölftel des gesamten Jahresgehalts ohne Sonderzahlung entspricht. Den während des Jahres ein- oder austretenden Angestellten wird der aliquote Teil dieser Remuneration bezahlt.
2.
Wenn eine Angestellte nach Erhalt der für das laufende Kalenderjahr gebührenden Urlaubsremuneration oder Weihnachtsremuneration ihr Dienstverhältnis selbst aufkündigt, aus ihrem Dienstverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder infolge Vorliegens eines wichtigen Grundes vorzeitig entlassen wird, muss sie sich die im laufenden Kalenderjahr anteilsmäßig zuviel bezogene Sonderzahlung von ihren ihr aus dem Dienstverhältnis zustehenden Ansprüchen (insbesondere Restgehalt und Weihnachtsremuneration) in Anrechnung bringen lassen.
§ 15 Mindestleistungen
Einzelvertraglich vereinbarte günstigere Bestimmungen werden von diesem Kollektivvertrag nicht berührt. Es gilt das Günstigkeitsprinzip.
§ 16 Verschwiegenheitspflicht
Die Angestellten sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Den Angestellten ist die Belehrung über die Verschwiegenheitspflicht laut Anhang, welcher einen integrierenden Bestandteil des Kollektivvertrages bildet, bei Beginn des Dienstverhältnisses nachweislich zur Kenntnis zu bringen.
*) Der Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten kann den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit erfüllen
§ 17 Schlichtungsklausel
1.
Sollten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen während oder nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Differenzen oder Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Arbeitsverhältnis auftreten, verpflichten sich alle Beteiligten, vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens die aus einem Mitglied des österr. Gewerkschaftsbundes (Gewerkschaft GPA, Region Vorarlberg) und einem Mitglied des Ausschusses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer paritätisch besetzte und kostenlos tätig werdende Schlichtungsstelle anzurufen.
2.
Vor Anrufung der Schlichtungsstelle und Abhaltung eines Schlichtungstermins kann das Gericht nicht angerufen werden. Allfällige Anfechtungsmöglichkeiten im Sinne der §§ 105 ff ArbVG oder vergleichbarer Regelungen sind davon nicht berührt. Durch die Einbringung des eine kurze Darstellung des Gegenstands der Streitigkeit enthaltenen Schlichtungsantrags werden Verjährungsfristen unterbrochen und der Ablauf von Verfallsfristen gehemmt. Der Schlichtungsantrag gilt hinsichtlich des dort erwähnten Streitgegenstandes jedenfalls als Geltendmachung von Ansprüchen.
3.
Die Schlichtungsstelle hat binnen 6 Wochen ab Einlangen des Schlichtungsantrages einen Schlichtungstermin auszuschreiben. Kommt es bei diesem ersten Schlichtungstermin zu keiner Einigung und verständigt man sich dabei auch nicht einvernehmlich auf einen zweiten Schlichtungstermin, bei dem ein neuerlicher Schlichtungsversuch nach Abklärung gegebenenfalls noch offener Fragen durchgeführt werden soll, kann jede Seite das Gericht anrufen.
4.
Schreibt die Schlichtungsstelle innerhalb von 6 Wochen ab Einlangen des Antrags auf Schlichtung keinen Termin aus, kann jede Seite das Gericht anrufen.
5.
Der Antrag an die Schlichtungsstelle ist an die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer zu richten. Auf das Verfahren finden die Bestimmungen des § 18 (Schlichtungsordnung) Anwendung.
6.
Die Schlichtungsstelle selbst entscheidet nicht in der Sache selbst, sondern versucht, eine einvernehmliche Lösung (Vergleich) zur Beilegung der Differenzen bzw Streitigkeiten zwischen den Kontrahenten herbeizuführen.
§ 18 Schlichtungsordnung
1.
Allgemeines:
Die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer und die Gewerkschaft GPA richten die Schlichtungsstelle als Streitbeilegungsinstrument ein, um Differenzen und Streitigkeiten zwischen ihren Mitgliedern im Zusammenhang mit deren Dienstverhältnis mit Hilfe der Schlichtung auf Grundlage folgender Bestimmungen (Schlichtungsordnung) beizulegen. Die Schlichtungsordnung regelt die Abwicklung von Verfahren bei der Schlichtungsstelle. Die Bestimmungen des § 9 Abs 2 ASGG bleiben unberührt.
2.
Schlichtungsantrag:
Der schriftliche Antrag einer Partei auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens (Schlichtungsantrag) ist an die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer zu richten und hat folgende Mindestangaben zu enthalten:
a)
Namen, Anschriften, Telefon oder sonstige Kommunikationsreferenzen der Parteien, des gesetzlichen Vertreters und gegebenenfalls des Verfahrensbevollmächtigten der Partei, die den Schlichtungsantrag stellt sowie des gesetzlichen Vertreters und gegebenenfalls des Verfahrensbevollmächtigten der anderen Beteiligten, sofern bekannt;
b)
eine kurze Darstellung des Gegenstands der Streitigkeit und Bezifferung der Ansprüche, sofern diese in einer Geldleistung bestehen;
c)
die zum Verständnis des Sachverhalts erforderlichen Urkunden (Verträge, Schriftwechsel, technische Unterlagen, Gehaltszettel etc).
Die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer hat die Gewerkschaft GPA Vorarlberg (kurz GPA) umgehend zu informieren und innerhalb von 6 Wochen ab Einlangen des Antrages den Schlichtungstermin einzuberufen.
Die Schlichtungsstelle übermittelt den im Schlichtungsantrag genannten anderen Beteiligten jeweils eine Abschrift des Schlichtungsantrages samt den §§ 18 und 19 des Kollektivvertrages.
Die Parteien sind gesondert auf die Konsequenzen im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren, insbesondere im Sinne des Punktes 7 der Schlichtungsordnung, bei der ersten Schlichtungssitzung hinzuweisen.
3.
Zusammensetzung der Schlichtungsstelle:
Die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer unterrichtet die Parteien über die Mitglieder der aus 2 Personen bestehenden paritätisch besetzten Schlichtungsstelle und bestellt diese umgehend nach Beginn des Schlichtungsverfahrens.
Die Schlichtungsstelle besteht aus einem Vertreter der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer und einem Vertreter der GPA Vorarlberg, die von den jeweiligen Kollektivvertragspartnern benannt werden. Zusätzlich sind jeweils 2 Ersatzmitglieder zu nominieren.
Die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer und die GPA Vorarlberg verpflichten sich, jeweils eine Liste von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern der Schlichtungsstelle mit mindestens 4 Personen zu führen. Der Vorsitz in der Schlichtungsstelle wird je nach Streitfall abwechselnd von einem Vertreter der Kollektivvertragspartner ausgeübt. Für die Protokollführung wird jeweils von den Mitgliedern der nicht den Vorsitz führenden Kollektivvertragspartner eine Person bestimmt.
Die Schlichter haben den Streitgegenstand im Verfahren neutral, unparteiisch, unabhängig und weisungsfrei zu behandeln. Sie dürfen keine der Parteien im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt gerichtlich oder außergerichtlich vertreten bzw vertreten haben. Sie dürfen auch nicht als Richter oder in ähnlicher Funktion in einem Verfahren tätig werden, das eine Beziehung zum Streitgegenstand des Schlichtungsverfahrens aufweist.
4.
Allgemeine Verfahrensgrundsätze:
a.
Vertraulichkeit:
Das Schlichtungsverfahren findet nicht öffentlich statt.
Die Vertraulichkeit des Schlichtungsverfahrens haben zu wahren:
-
–
alle am Schlichtungsverfahren beteiligten Personen (einschließlich der Mitglieder der Schlichtungsstelle),
-
–
die Parteien (und deren Verfahrensbevollmächtigte),
-
–
allfällige Sachverständige,
-
–
sonstige anwesende Personen und evtl beschäftigte Angestellte.
b.
Vertretung:
Jede Partei kann sich im Schlichtungsverfahren durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten oder unterstützen lassen. Der Verfahrensbevollmächtigte hat sich auf Verlangen der Schlichtungsstelle oder einer anderen Partei durch schriftliche Vollmacht zu legitimieren. Bei Rechtsanwälten genügt die Berufung auf die erteilte Vollmacht gem § 8 RAO. Die Kosten ihrer Vertretung vor der Schlichtungsstelle hat jede Partei selbst zu tragen.
c.
Zustellungen:
Der Antrag auf Einleitung des Schlichtungsverfahrens ist der Gegenpartei mittels eingeschriebenen Schreibens zuzustellen. Allfällige weitere Schriftsätze, Einladungen und fristsetzende Verfügungen werden zum Zwecke der Zustellung formlos mit Brief, Telefax oder E-Mail übermittelt. Wird eine Partei durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten, sind Zustellungen an diesen vorzunehmen.
d.
Verfahrensförderung:
Die Schlichtungsstelle wirkt auf eine zügige Durchführung des Verfahrens hin. Die Parteien haben ihrerseits das Verfahren durch rechtzeitige und vollständige Aufbereitung des Sachverhalts und durch Erteilung aller von der Schlichtungsstelle erforderlich gehaltenen Auskünfte so zu fördern, dass es möglichst im Rahmen des ersten Schlichtungstermins abgeschlossen werden kann. Schriftsätze sind bis spätestens 1 Woche vor Schlichtungstermin einzubringen.
5.
Durchführung der Schlichtung:
Die Schlichtungsstelle bestimmt das weitere Verfahren nach Maßgabe nachfolgender Regeln:
Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs hat die Schlichtungsstelle den Parteien Gelegenheit zu geben, den Streitgegenstand, den Hintergrund des Streitfalls, das jeweils gewünschte Ziel der Schlichtung und die Argumente zur Rechtslage vorzutragen. Maßgebliche Urkunden und sonstige Beweismittel, die sich zur Vorlage eignen, sind beizufügen. Erfolgt die Vorlage in Kopie, kann die Vorlage im Original verlangt werden.
Darüber hinaus kann die Schlichtungsstelle in jedem Stadium des Schlichtungsverfahrens die Parteien oder eine von ihnen zur Vorlage ergänzender Informationen oder Unterlagen auffordern, die die Schlichtungsstelle für eine umfassende Beurteilung der Sach- und Rechtslage für erforderlich hält. Jede Partei kann bestimmte schriftliche Informationen oder Unterlagen, bezüglich derer sie schlüssig begründete Geheimhaltungsinteressen geltend macht, ausschließlich der Schlichtungsstelle zur Verfügung stellen, wovon die andere Partei zu unterrichten ist. Die Schlichtungsstelle darf derartig bezeichnete Informationen oder Unterlagen ohne schriftliche Zustimmung dieser Partei nicht den anderen Beteiligten offenlegen.
Aufforderungen der Schlichtungsstelle zur Vorlage von Unterlagen oder ergänzender Informationen können unter Fristsetzung erfolgen. Diese Fristen können auf Antrag verlängert werden.
Die Schlichtungsstelle soll die Einigungsbereitschaft der Parteien fördern.
Die Schlichtungsstelle ist nur beschlussfähig, wenn beide Mitglieder anwesend sind bzw im Wege eines Umlaufbeschlusses damit einverstanden sind.
6.
Ende der Schlichtung:
Das Schlichtungsverfahren endet,
-
•
wenn auf Vorschlag oder unter Mitwirkung der Schlichtungsstelle eine Einigung zwischen den Parteien zustande kommt. Die Einigung ist zu protokollieren und das Protokoll von den Mitgliedern der Schlichtungsstelle und den Parteien bzw deren Verfahrensbevollmächtigten zu unterzeichnen;
-
•
wenn eine Einigung der Parteien beim ersten Schlichtungstermin nicht zu erzielen ist und auch von keiner Seite eine Anberaumung eines zweiten Schlichtungstermins gewünscht wird;
-
•
wenn eine der Parteien beim ersten Schlichtungstermin ohne Angabe von Gründen nicht erscheint.
-
•
Wenn bei der Verlegung des Schlichtungstermins eine Partei nicht damit einverstanden ist, endet die Schlichtung automatisch.
7.
Verhältnis zwischen Schlichtungs- und Gerichtsverfahren:
Nach Beendigung des Schlichtungsverfahrens kann jede Partei den ordentlichen Rechtsweg beschreiten, sofern nicht eine endgültige Einigung zustande gekommen ist. Die Mitglieder der Schlichtungsstelle sowie deren Erfüllungsgehilfen haften weder für einen von einer der Parteien oder beiden angestrebten wirtschaftlichen Erfolg der Schlichtung, gleich welcher Art, noch für die Durchsetzbarkeit einer gefundenen Lösung. Im Übrigen haften sie den Parteien gegenüber für Handlungen und Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Schlichtungsverfahren oder dessen Einleitung oder Beendigung ausschließlich für vorsätzliches Fehlverhalten.
8.
Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder der Schlichtungsstelle:
Die Mitglieder der Schlichtungsstelle sowie deren Erfüllungsgehilfen (Schreibkräfte etc) unterliegen der Verschwiegenheitspflicht.
Feldkirch, am 13.10.2021
RECHTSANWALTSKAMMER VORARLBERG |
Die Präsidentin |
Dr. Birgitt Breinbauer |
ÖSTERREICHISCHER GEWERKSCHAFTSBUND GEWERKSCHAFT GPA |
Die Vorsitzende |
Der Bundesgeschäftsführer |
Barbara Teiber, MA |
Karl Dürtscher |
ÖSTERREICHISCHER GEWERKSCHAFTSBUND GEWERKSCHAFT GPA Wirtschaftsbereich Wirtschaftsdienstleistungen |
Der Vorsitzende |
Der Wirtschaftsbereichssekretär |
Norbert Schwab |
Mag. Albert Steinhauser |