Zusatzkollektivvertrag “Corona-Sparpaket”
zum Kollektivvertrag für die kaufmännischen und technischen Angestellten der Austrian Airlines AG
Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen in diesem Kollektivvertag gilt die gewählte Formulierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes für beide Geschlechter.
Redaktionelle Anmerkungen
Quelle: Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier [Druckfassung]
1. Präambel
Dieser Zusatzkollektivvertrag für die kaufmännischen und technischen Angestellten von Austrian Airlines soll einen wesentlichen finanziellen Beitrag der kaufmännischen und technischen Angestellten für die erfolgreiche Umsetzung des Neustarts und zur Überwindung der Corona-Krise leisten. Angesichts der durch das Corona-Virus ausgelösten weltweiten Krise der Luftfahrtbranche ist der Fortbestand des Unternehmens in ernster Gefahr und sind temporäre kollektivvertragliche Maßnahmen dringend geboten. Zusätzlich bedarf es entsprechender Solidarbeiträge und Maßnahmen der Regierung, von Systempartnern und Lieferanten. überdies soll auch das Bordpersonal einen angemessenen Beitrag leisten.
Der Großteil des Einsparungsvolumens wird dabei durch eine temporäre Reduktion der Bezüge der Angestellten erzielt. Dazu soll es neben den in diesem Zusatzkollektivvertrag geregelten Eingriffen in die kollektivvertraglichen Bezüge der Angestellten auch zu einzelvertraglich vereinbarten Anpassungen kommen, um eine möglichst gerechte Verteilung der Gehaltsabsenkung zu erzielen.
Der jeweilige prozentuelle Absenkungsbeitrag richtet sich dabei nach der Höhe der Bezüge der einzelnen Angestellten, dies unabhängig von der Zusammensetzung (KV-Gehalt oder einzelvertragliche Vereinbarung). Selbstverständlich erfolgt aber die Reduktion der einzelvertraglich vereinbarten Bezüge durch Einzelvereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem jeweiligen Angestellten. Die Kollektivvertragsparteien erwarten hier ein klares Bekenntnis jedes einzelnen Angestellten zur Solidarität mit jenen Kolleginnen und Kollegen, deren Bezüge ausschließlich kollektivvertraglich geregelt sind und daher zur Gänze durch die Kollektivvertragsparteien abgesenkt werden können. Nur durch den finanziellen Beitrag und sohin der Zustimmung jedes einzelnen Angestellten zur Gehaltsreduktion kann der positive Fortbestand des Unternehmens und damit der Erhalt von tausenden Arbeitsplätzen gesichert werden. Das Ausmaß der prozentuellen Absenkung wurde in Wahrnehmung der wechselseitigen Interessen in einem sozial verträglichen Umfang durch die Kollektivvertragsparteien einvernehmlich festgelegt.
Abschnitt A – Vereinbarung zwischen den KV-Parteien
§ 1 Standortzusage
Lediglich der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass das am 19.11.2013 abgegebene Bekenntnis der Austrian Airlines zum Standort bis 31.12.2023 vom gegenständlichen Zusatzkollektivvertrag unberührt bleibt.
§ 2 Verhandlungsverpflichtungen
Die Grundannahmen, auf denen dieser Zusatzkollektivvertrag beruht, entstammen der Fortbestandsprognose bzw. dem adaptierten Business Plan von PWC für die Aufsichtsratssitzung von Austrian Airlines vom 20. Mai 2020. Unter anderem wurde dabei - eine Kreditfinanzierung in der Höhe von 300 Millionen Euro zugrunde gelegt. Bei signifikanter Änderung bzw. Abweichung von den getroffenen Grundannahmen ist eine einvernehmliche Überarbeitung bzw. Anpassung der vereinbarten Maßnahmen vorzunehmen.
Zusätzlich wird jeweils zum Ende des 1. Quartals des jeweiligen Folgejahres einen Abgleich der Situation des Unternehmens mit dem Business Plan (Fortbestandsprognose) von PWC anhand der Daten zu den Stichtagen 31.12.2021, 31.12.2022 und 31.12.2023 vorgenommen. Sollte sich zu den Stichtagen eine deutliche Verbesserung oder eine Verschlechterung (allerdings nur betreffend den Stichtag 31.12.2023) der wirtschaftlichen Situation von Austrian Airlines im Vergleich zur Fortbestandsprognose von Mai 2020 zeigen, sind Verhandlungen über allfällige situationsangepasste Adjustierungen der Maßnahmen aufzunehmen. Die Parameter für den Abgleich mit der Fortbestehungsprognose sind:
Parameter in Mio € |
31.12.2021 |
31.12.2022 |
31.12.2023 |
adj. EBIT |
(-17) |
86 |
157 |
Adj. EBITDA |
119 |
233 |
304 |
free cashflow* |
12,8 |
(-18,3*) |
32,3 |
(*Cashflow nach Finanzaufwand und Tilgungen)
Weiters gilt: Sollte der FTE-Stand 2.228 FTEs (bei unveränderter Produktion, wie sie im ursprünglichen Business Plan angenommen wurde) dauerhaft unterschreiten, so werden Verhandlungen über eine aliquote Reduktion der Krisenbeiträge aufgenommen.
Abschnitt B – Normativer Inhalt dieses Zusatzkollektivvertrages
§ 1 Derogationsverhältnis
Regelungen dieses Abschnitts des Zusatzkollektivvertrags gelten für seine Laufzeit als vorrangige Sonderbestimmungen (,,leges speciales") gegenüber den entsprechenden Bestimmungen des Kollektivvertrages für die kaufmännischen und technischen Angestellten der Austrian Airlines AG (Stand 01.01.2019).
§ 2 Kollektivvertragliche Erhöhung für die Jahre 2020 - 2025
In den Kalenderjahren 2020 bis inklusive 2023 erfolgt keine kollektivvertragliche Erhöhung der geltenden Gehaltstabelle bzw. der individuellen kollektivvertraglichen Mindestgehälter, der kollektivvertraglichen Zulagen sowie der Ist-Gehälter.
Zusätzlich wird jeweils zum Ende des 1. Quartals des jeweiligen Folgejahres einen Abgleich der Situation des Unternehmens mit dem Business Plan (Fortbestandsprognose) von PWC anhand der Daten zu den Stichtagen 31.12.2021, 31.12.2022 und 31.12.2023 vorgenommen. Sollte sich zu den Stichtagen eine deutliche Verbesserung oder eine Verschlechterung (allerdings nur betreffend den Stichtag 31.12.2023) der wirtschaftlichen Situation von Austrian Airlines im Vergleich zur Fortbestandsprognose von Mai 2020 zeigen, sind Verhandlungen über allfällige situationsangepasste Adjustierungen der Maßnahmen aufzunehmen. Die Parameter für den Abgleich mit der Fortbestehungsprognose sind:
Für das Jahr 2024 werden Kollektivvertragsverhandlungen zwischen den Sozialpartnern geführt.
Entsprechend § 20 Punkt 2 des in Geltung befindlichen Kollektivvertrags werden sowohl die ab 01.01.2019 geltende Gehaltstabelle als auch die Ist-Gehälter zum Stichtag 31.12.2024 sowie die Lehrlingsentschädigungen mit Wirkung ab 01.01.2025 für alle Angestellten und Lehrlinge um 7,428% erhöht.
§ 3. Vorrückung - Biennium
Für alle Angestellten, die zum 01.01.2021 oder 01.01.2022 gemäߧ 20 Punkt 1 des in Geltung befindlichen Kollektivvertrags eine Vorrückung hätten, wird der Vorrückungszeitraum einmalig ausgedehnt und die Vorrückung erfolgt erst am 01.01. des jeweiligen Folgejahres. Die individuellen Vorrückungsstichtage werden dadurch dauerhaft um ein Jahr nach hinten verschoben.
Für den Vorgang der kollektivvertraglichen Vorrückung bleibt der prozentuelle Absenkungsprozentsatz gemäß Punkt 4.2. zunächst unberücksichtigt.
Nach der durchgeführten kollektivvertraglichen Vorrückung ist der prozentuelle Absenkungsprozentsatz nach der in Punkt 4.1. dargestellten Tabelle für die folgenden Abrechnungsmonate neu festzulegen und bei den monatlichen Auszahlungen in Abzug zu bringen.
4 Absenkung der kollektivvertraglichen Ist-Entgelte (20.03.2022 bis 31.12.2023)
4.1
Ausmaß des Absenkungsprozentsatzes
Das prozentuelle Ausmaß der Absenkung erfolgt auf Basis des vom jeweiligen Angestellten ins Verdienen gebrachten „kollektivvertraglichen Ist-Gehaltes" zum Stichtag 28.02.2022.
Zum „kollektivvertraglichen Ist-Gehalt" zählen in diesem Zusammenhang das individuelle kollektivvertragliche Mindestgrundgehalt bzw. das kollektivvertragliche Mindestgehalt der in Geltung befindlichen Gehaltstabelle, sowie die regelmäßig in gleicher Höhe zustehenden kollektivvertraglichen Zulagen.
Das Ausmaß der prozentuellen Absenkung der kollektivvertraglichen Ist-Gehälter erfolgt für alle Angestellten anhand folgender Tabelle:
Absenkung der kollektivvertraglichen Ist- Gehälter |
von |
bis |
Absenkung % |
0,00 € |
1.707,99 € |
2,00 % |
1.708,00 € |
2.100,99 € |
5,00 % |
1.01,00 € |
2.600,99 € |
8,00 % |
6.01,00 € |
3.100,99 € |
11,00 % |
3.101,00 € |
3.700,99 € |
13,00 % |
3.701,00 € |
4.500,99 € |
14,50 % |
4.501,00 € |
|
15,00 % |
Kommt es zu einer, wie auch immer gearteten, Veränderung des tatsächlich ins Verdienen gebrachten „kollektivvertraglichen Ist-Gehalts" während des Absenkungszeitraumes ist der prozentuelle Absenkungsprozentsatz nach der im vorangegangen Absatz dargestellten Tabelle für die folgenden Abrechnungsmonate neu festzulegen und bei den monatlichen Auszahlungen in Abzug zu bringen.
4.2
Von der Absenkung betroffene Entgeltbestandteile
Von der prozentuellen Absenkung betroffen sind alle Entgeltbestandteile, insbesondere auch Sonderzahlungen und Zulagen, die der jeweilige Angestellte aufgrund von kollektivvertraglichen Entgeltbestimmungen ins Verdienen bringt.
Von der Absenkung betroffen sind auch alle kollektivvertraglichen Entgelte, die unregelmäßig zur Auszahlung gelangen, ausgenommen das Jubiläumsgeld gemäß § 13 des Kollektivvertrages.
5. Kollektivvertragliche Abfertigung
Für jene Angestellten, die zum Stichtag 31.05.2020 eine Anwartschaft auf eine gesetzliche(§§ 23, 23a AngG) oder kollektivvertragliche Abfertigung (allenfalls auf Basis des sog. „eingefrorenen Multiplikators" gemäß § 11 Z 2 und 3 der Übergangsbestimmungen des Kollektivvertrages) erworben haben, wird zur Wahrung dieser zum Stichtag 31.05.2020 bereits erworbenen Anwartschaften folgendes vereinbart:
Sofern es im Zeitraum der Absenkung der kollektivvertraglichen Ist-Entgelte gemäß Punkt 4 dieses Zusatzkollektivvertrages zu einer abfertigungswahrenden Form der Beendigung des Dienstverhältnisses kommt, hat bei der Bemessungsgrundlage für die gesetzliche oder kollektivvertragliche Abfertigung der prozentuelle Absenkungsprozentsatz gemäß Punkt 4 sowie eine etwaige in Zusammenhang mit diesem Zusatzkollektivvertrag stehende einzelvertragliche Gehaltsreduktion außer Betracht zu bleiben.
Der Bemessungsgrundlagenschutz nach dem vorherigen Absatz besteht in jedem Fall nur für jene Anwartschaften auf eine gesetzliche oder kollektivvertragliche Abfertigung, die zum Stichtag 31.05.2020 bereits bestanden haben.
6. Höherversicherung
Endet das Dienstverhältnis eines Angestellten im Zeitraum der Absenkung der kollektivvertraglichen Ist-Entgelte gemäß Punkt 4 dieses Zusatzkollektivvertrags aufgrund einer einvernehmlichen Auflösung, einer Dienstgeberkündigung oder tritt der Angestellte unmittelbar nach Ende des Dienistverhältnisses in den dauernden Ruhestand, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, den sich aus der Differenz zwischen den Dienstgeber-Pensionsversicherungsbeiträgen ohne kollektivvertragliche und in Zusammenhang mit diesem Zusatzkollektivvertrag stehende einzelvertragliche Gehaltsreduktion und den Dienstgeber-Pensionsversicherungsbeiträgen mit Gehaltsreduktion über den gesamten Zeitraum der Gehaltsreduktion zu ermitteln und den sich ergebenden Differenzbetrag bis zur doppelten monatlichen Höchstbeitragsgrundlage im Rahmen der Höherversicherung gemäß § 20 ASVG zugunsten des Angestellten in die Pensionsversicherung einzuzahlen.
7. Sozialplan
§ 11 c erster Absatz wird geändert wie folgt:
Die Kollektivvertragspartner kommen überein: Sofern im Zeitraum von 01.01.2014 bis 31.12.2025 in einem Betriebsteil oder im gesamten Betrieb ein Sozialplan zu vereinbaren sein wird, so gelten diesbezüglich folgende materiellen Bestimmungen als vereinbart und sind im Einvernehmen lediglich formell an die gegebene Situation anzupassen. Sofern in den folgenden materiellen Bestimmungen bzw. einem Sozialplan auf das Gehalt zum Austrittszeitpunkt Bezug genommen wird, so ist darunter das jeweils aktuelle Brutto-Monatsgehalt zum Austrittszeitpunkt zu verstehen.
Sofern im Zeitraum der Absenkung der kollektivvertraglichen Ist-Entgelte gemäß Punkt 4 dieses Zusatzkollektivvertrages ein Sozialplan zu vereinbaren ist und in diesem auf das Gehalt zum Austrittszeitpunkt Bezug genommen wird, hat bei der Bemessungsgrundlage für die außerordentliche Abfertigung gemäß Sozialplan der prozentuelle Absenkungsprozentsatz gemäß Punkt 4 sowie eine etwaige in Zusammenhang mit diesem Zusatzkollektivvertrag stehende einzelvertragliche Gehaltsreduktion außer Betracht zu bleiben (Regelungen für die gesetzliche oder kollektivvertragliche Abfertigung siehe Punkt 5).
Abschnitt C – Geltungsdauer
Dieser Zusatzkollektivvertrag tritt am 01.06.2020 in Kraft und endet am 31.01.2025.
Wird über die Austrian Airlines AG ein - wie auch immer geartetes Verfahren - nach der Insolvenzordnung eröffnet, tritt dieser Zusatzkollektivvertrag automatisch und zur Gänze außer Kraft. Dies mit dem Tag der Eröffnung des Verfahrens nach der Insolvenzordnung.
Der gegenständliche Kollektivvertrag wird unter der Bedingung abgeschlossen, dass die zuständigen Kollektivvertragsparteien für das Bordpersonal der Austrian Airlines AG (bis zum 31.12.2020) ebenfalls eine normativ geltende Regelung über die Absenkung der laufenden Bezüge der Angestellten treffen (auflösende Bedingung).
Wien, Schwechat am 26.06.2020
Wirtschaftskammer Österreich |
Fachverband der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtsunternehmungen |
Berufsgruppe Luftfahrt Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien |
Mag. Christian Domany |
Dr. Manfred Handerek |
Der Obmann |
Der Geschäftsführer-Stv. |
Österreichischer Gewerkschaftsbund |
Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier Alfred-Dallinger-Platz 1, 1030 Wien |
Barbara Teiber, MA |
Karl Dürtscher |
Die gf. Vorsitzende: |
Der Geschäftsbereichsleiter: |
Österreichischer Gewerkschaftsbund Gewerkschaft vida |
|
Roman Hebenstreit |
Bernd Brandstetter |
Vorsitzender |
Geschäftsführer |